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400 Kilometer Schärenküste
26. Juni - 17. Juli 2005

Eine Faltbootreise in den ostschwedischen Schären

Tagebucheinträge

1. Tag - 26. 06. 2005, 20 Uhr, Sonntag

Nachdem ich den Donnerstag und Freitag mit letzten Änderungen am Boot, Packen und Einkaufen verbracht habe, bin ich nun endlich in Schweden. Am Sonnabend bin ich um 14 Uhr zuhause in Schleswig-Holstein mit dem Auto losgefahren uns nach 777 km in Oskarshamn an der Ostsee angekommen.
Noch in der Nacht habe ich nach einer Einsetzmöglichkeit für das Boot gesucht, bin aber nicht fündig geworden. Erst etwas außerhalb fand ich ein kleines Strandbad mit Steg, Cafe und angeschlossenem Campingplatz. Etwas oberhalb nahe der Straße liegt ein großer Schotterparkplatz. Nach etwa 4 Stunden Schlaf habe ich dann mein Boot aufgebaut und beladen und nach etwa 400 Metern Fahrt mit dem Bootswagen zu Wasser gelassen.
Trotz der ca. 40 kg Gepäck und meiner Wenigkeit liegt das Boot gut im Wasser. Der Himmel ist klar mit einigen Wolken, es geht kaum Wind. So hangele ich mich von Insel zu Insel. Nach etwa einer Stunde fühle ich mich im Boot sicher. Trotz einiger Übungsfahrten ist die erste Zeit im Boot doch immer noch recht ungewohnt. Ich paddele einen "Kanal" zwischen zwei Inseln hindurch. Das Ufer ist schilfbestanden, Kiefernwald bedeckt die felsigen Eilande. Hier sehe ich auch meinen ersten Seeadler. Große blaue Libellen schwirren umher. Am felsigen Ufer mache ich in der Sonne ein Nickerchen und hole fehlenden Schlaf nach. Danach geht es weiter Richtung Norden.
Um etwa 14 Uhr mache ich erneut Pause am felsigen Ende einer Insel und schlachte die Honigmelone, die ich mitgebracht habe. Am Nachmittag wird es etwas kühler und Wind kommt auf. Bald kommt das Atomkraftwerk von Oskarshamn in Sicht. Vor der Küste herrscht eine hohe Dünung, deren Kämme aber nicht brechen. Als ich den Strand, der fast nur aus Schotter und faustgroßen Steinen besteht, erreiche, prelle ich mit beim Aussteigen den Nagel der mittleren linken Zehe - ich habe Angst, ihn möglicherweise zu verlieren.
Mein erster Zeltplatz auf dieser Tour liegt quasi auf der Rückseite des Atomkraftwerkes. Hier gibt es viel zu viele Steine. Der Nagel schmerzt doch sehr. Im Boot steht Wasser und ich muß einen ersten Flicken anbringen. Zum Abendessen gibt es Basmati-Reis mit einer Fertigsoße - nicht sehr doll, zuviel Kardamom. Am Ufer tummeln sich ein paar Schwäne. Es bleibt sonnig und der Wind nimmt im Laufe des Abends ab. Ich wette, ich habe einen fetten Sonnenbrand.

2. Tag - 27. 06. 2005, 21 Uhr, Montag

Ich bin am Morgen um ca. 10 Uhr aufgebrochen und hatte wegen der Steine einige Schwierigkeiten beim Einsetzen. Dummerweise blockierte das Ruder durch falsch gestautes Gepäck - landen, neu packen.
Die Dünung ist relativ hoch, es gibt aber keine Brecher. Auf der Insel Sörehallen gönne ich mir eine Pause. Dann geht es schnell weiter und nach einer sehr bewegten Überfahrt lande ich auf der Insel Boskär. Ein Seeadler nimmt vor mir Reißaus.
Der sehr glatte und ebene Fels lädt ein, das Boot noch einmal auseinander zu nehmen - ich verarzte einige Gerüstteile, die mit spitzen Ecken und Kanten in die Bootshaut drücken, mit Klebeband und PVC-Streifen; in die Spanten säge und feile ich Kerben für die Steuerleinen des Ruders.
Da es mir auf der Insel sehr gefällt, beschließe ich zu bleiben. Zu Fuß umrunde ich die Insel, entdecke eine Ringelnatter, nasche eine Hand voll Walderdbeeren. Am Südufer bestaune ein Labyrinth aus Steinen, das jemand schon vor vielen Jahren auf dem Fels angelegt hat. Zum ersten mal versuche ich auf dieser Tour mein Glück als Angler, doch nach einer Stunde gebe ich auf. Zum Abendessen gibt es Mi-Nudeln.

3. Tag - 28. 06. 2005, 21 Uhr, Dienstag

Der Wind hat gedreht. Ich muß von Beginn an die Spritzdecke aufziehen. Teilweise gehen die Wellen über den Bug.
Während der Mittagspause versuche ich mich auf einer kleinen Insel erfolglos im Angeln. Die ganze Zeit über kreisen Flugzeuge am Himmel, später auch ein Hubschrauber.
Gegen Nachmittag erreiche ich Örö, wo ich 7 Liter Wasser bunkern kann. Die Insel beherbergt ein kleines Dorf mit einem Hafen. Das Ganze wirkt sehr idyllisch.
Der Seegang bleibt recht unangenehm. Auf Örö sagt mir ein Mann in einem Ruderboot, man habe ein leeres Boot weit draußen gefunden, nun suche man nach einem Vermißten.
Am Abend erreiche ich die Insel St. Berkskär. Im Fels bietet sich eine kleine Spalte als natürlicher Hafen an, zwei Steine halten den Bug, selbst eine Art Treppenstufe bietet sich als Hilfe beim Aussteigen an. Später kommt ein kleines Rettungsboot längsseits, der Fahrer fragt mich, ob ich jemanden gesehen hätte. Andere Retter suchen jede Insel nach Überlebenden ab, einer kommt auch bei mir am Zelt vorbei und grüßt. Er weiß nicht, um was für ein Boot es sich gehandelt hat, jedenfalls sei es sehr klein gewesen.
Später am Abend sehe ich mehr Boote uns Schiffe, auch von der Küstenwache. Ich vermute, daß sie noch an diesem Abend fündig wurden, am nächsten Morgen blieb die Schar der Hilfskräfte aus.
Um mich abzulenken habe ich am Abend noch etwas geangelt, aber nichts gefangen.

4. Tag - 29. 06. 2005, 21 Uhr 20, Mittwoch

Der Tag fängt mit viel Sonnenschein und Wind an, doch im Laufe des Tages wird es rasch grau in grau. Ich habe mehrere lange Distanzen ohne Möglichkeit an Land zu gehen zu bewältigen.
Nach der 1. Etappe bin ich recht kaputt - die hohen Wellen machen mir zu schaffen. Danach paddele ich erstmals mit Regenjacke, mir ist kühl vom Wind. Viele Inseln, an denen ich vorbei komme, darf ich aus Gründen des Vogelschutzes nicht betreten - Schilder stehen am Ufer. An einer kleinen Hüttenansammlung mache ich ein Nickerchen in der Sonne. Ein weiterer Stop folgt dann im Nirgendwo - ich habe ein wenig die Orientierung verloren und weiß nicht so ganz genau, wo ich bin.
Ich sehe zwei Männer auf einer der Nachbarinseln am Ufer entlang klettern und lasse mit auf der Karte meinen Standort zeigen. Beide haben eine Schnapsfahne. Wir reden ein wenig über mein Kajak, dann bin ich auch schon wieder auf dem Wasser.
Die letzte Etappe des Tages führt wieder über offenes Wasser, bis ich die Insel Idö erreiche. Hier gibt es einen Yachthafen mit Café und Shop, es wirkt recht nobel. Ich paddele weiter am Ufer entlang und finde nach 500 Metern eine gute Anlegestelle mit Zeltmöglichkeit.
Die Landschaft auf der Insel ist parkartig. Es gibt große Eichen, Lesesteinmauern, kleine in den Boden eingelassene Hütten, die einst zur Kühlung von Lebensmitteln dienten. Ein Feldweg schlängelt sich durch die Wiesen, deren hohes Gras lange kleiner mehr gemäht hat. Es gibt einige bewohnte Häuser, sogar ein Auto. Irgendwo bellt ein Hund.
Ich spreche kurz mit einem Dänen, der mit dem Segelboot gekommen ist. Zurück bei meinem Zelt entdecke ich Knabenkräuter. In einer der wasserdichten Seifendosen, die ich als Lebensmittelkanister verwende, ist etwas Wasser. Irgendwie ist es dann in die große Plastiktüte darin gelaufen und hat einen Weg in einer der Tüten mit Müslikeksen gefunden - alles andere ist trocken. Die Wege des Wassers sind unergründlich.
Eine Lasche mit einem D-Ring am Boot ist abgerissen. Der Bootskompaß zeigt die ganze Zeit beharrlich nach Nordwest. Ich verstaue ihn unter Deck. Im Boot findet sich Wasser ungeklärter Herkunft. Ich lenze und wische den Rest mit dem Schwamm aus. Am Abend nimmt der Wind ab und ich kann noch einen schönen Sonnenuntergang genießen.

5. Tag - 30. 06. 2005, 22 Uhr, Donnerstag

Am Anfang war alles ganz friedlich. Ich paddelte von meinem Lagerplatz in Richtung Norden los und mußte eine kleine Insel mit einem Leuchtturm passieren. Nach dem Leuchtturm nahm ich Kurs Nordwest und hatte die wohl höchste Dünung der bisherigen Reise. 1,5 bis 2 Meter hoch müssen die Wellen gewesen sein - wenn ich in den Wellentälern verschwand war nur noch Wasser zu sehen. Ordentliche Brecher krachten gegen die Felsen. Ich bin weit draußen gefahren, um kein Risiko einzugehen.
Nach etwa 2 Stunden Fahrt habe ich dann Pause auf einer bewaldeten Landzunge gemacht, fotografiert, in der Sonne gelegen.
Danach habe ich die Überfahrt zur Insel Alkeskar in Angriff genommen. Hier habe ich beim Wiedereinstieg leider ordentlich Wasser ins Boot bekommen. Die Fahrt weiter noch Ekö ist dann recht lang.
Ich errichte mein Zelt auf einer kleinen Felskuppe am Waldrand und versuche mich etwa 1 ½ Stunden als Angler - natürlich erfolglos. Ein alter Schwede kommt in einem weißen Seekajak vorbei. Er ist an der schwedisch-norwegischen Grenze gestartet und will hoch bis nach Haparanda an der schwedisch-finnischen Grenze. Er erzählt mir, das er meist bis abends um 10 paddelt.
Zu Fuß mache ich mich daran, die Insel zu umrunden. Am Nord- und Nordwestufer kann ich nicht am Ufer entlang laufen und muß durch den Wald, der fast einem Dschungel gleicht. Verschwitzt und mit Spinnweben behangen komme ich wieder am Zelt an.

6. Tag - 01. 07. 2005, 22 Uhr, Freitag

Am Morgen habe ich etwas länger geschlafen. Beim Einstieg passiert mir dann ein kleines Mißgeschick: Die Felsen sind durch Algen wahnsinnig glatt - ich rutsche aus, falle ins Wasser und tauche auf der anderen Seite des Bootes wieder auf. Na ja, also raus aus den Klamotten, auswringen, ausklopfen, ein wenig im Wind und in der Sonne antrocknen lassen, wieder rein in die noch feuchten Sachen und dann los. Keine Viertel Stunde nach meinem Bad bin ich dann doch unterwegs.
Der Wind kühlt mich aber doch recht stark aus, also ziehe ich später noch die Jacke über, die Wollmütze tut ein übriges.
Auf Stora Grindö dann will ich Wasser bunkern. In einem kleinen Dörfchen entdecke ich ein Restaurant und frage nach. Bereitwillig füllt man meine Flaschen. Das Wasser ist ein wenig gelblich vom hohen Eisengehalt, schmeckt aber doch ganz normal.
Ich plaudere ein wenig mit der Bedienung, sie erzählt mir, daß die Gäste mit dem Boot kommen. Fast jeder Schwede scheint ein Boot zu haben. Für 75 Kronen kaufe ich dann noch einen halben geräucherten Lachs.
Danach geht es weiter. Auf Väderskor habe ich dann am Spätnachmittag mein Lager bezogen. Nach einem Sonnenbad habe ich dann noch eine Stunde die Angel herausgeholt (natürlich habe ich nichts gefangen), zu Fuß die Insel umrundet und dabei die kleine Siedlung besucht.
Am Abend habe ich dann den Räucherlachs verputzt und anschließend die letzten Whisky-Vorräte vernichtet. Ich fühle mich recht wohl, nur auf der Stirn habe ich einen ziemlich heftigen Sonnenbrand. Am kommenden Tag werde ich von der ersten Landkarte herunterpaddeln - ich bin schneller als gedacht.

7. Tag - 02. 07. 2005, 22 Uhr 30, Sonnabend

Zum Frühstück gibt es Tee und Müsli, danach geht es los. Der Himmel ist blau, die See ist extrem ruhig. Ich paddele an den äußersten seeseitigen Inseln entlang bis zur Insel Viskar. Ich entscheide mich für den sicherlich nicht ungefährlichen Sprung über den Krädöfjärden - 4 km offene See, keine Möglichkeit an Land zu gehen, kein Inselchen, auf das ich mich im Notfall retten könnte.
Doch die Mühe lohnt sich. Zwar tut mir am Ende der Überfahrt der Hintern weh, doch der kleine Felsen da draußen ist atemberaubend schön.
Auf dem Nachbarfelsen klettern Rolf und Tomas herum. Sie sind mit dem Motorboot gekommen. An Bord liegen Angeln und ein ganzer Haufen leerer Bierdosen. Nach einer halben Stunde Plauderei trennen sich unsere Wege.
Vorbei an vielen kleinen Inseln komme ich nach Björkskär. Hier entdecke ich eine Pflanze mit kerzenartiger blauer Blüte, die ich bisher noch nie gesehen habe. (Später finde ich heraus, das es sich um Langblättrigen Ehrenpreis / Veronica longifolia handelt).
Überhaupt ist es hier auffallend schön. Ich mache viele Fotos. Die Insel Pangholmen will mir nicht recht gefallen, also besteige ich wieder das Boot und fahre weiter Richtung Norden. Es wird windig, und als ich mich umsehe, entdecke ich hinter mir eine riesige Amboßwolke, die sich langsam vor die Sonne schiebt. Bald wird ein Gewitter losbrechen. Ich paddele auf Kraft weiter nordwärts und versuche so schnell wie möglich, Land unter die Füße zu bekommen. Und es scheint so, als würde ich dem Gewitter davonpaddeln.
Nach 4 km Fahrt schlage ich die ersten beiden Inseln aus - auf der ersten brütet ein Schwan, auf der zweiten kann ich keine ebene Fläche für mein kleines Zelt finden. Schließlich lande ich auf Lang.
Beim Essen mache ich viele Fotos von meiner Ausrüstung, vielleicht verwende ich sie mal im Internet auf meiner Homepage. Ein kurzer Spaziergang über die Insel bringt keine spannenden Ergebnisse. Am Nordende haben Schweden mit Motorbooten festgemacht und feiern laut bei Heavy-Metal-Musik. Ich verziehe mich wieder ans ruhigere Ende.
Als am späten Abend die Fische springen, hole ich noch einmal meine Angel heraus und versuche - natürlich erfolglos - mein Glück.

8. Tag - 03. 07. 2005, 23 Uhr, Sonntag

Ich fahre recht spät los, da ich noch viele Fotos vom Boot, dem Bootswagen und dem ganzen Gepäck mache. Dann geht es weiter Richtung Norden. Es ist sonnig, die Wellen sind nicht der Rede wert.
Etwa gegen 13 Uhr holt mich ein Faltboot (K2 Feathercraft) ein: In dem Zweier hocken Marion und Peter. Peter ist mir aus dem Faltbootforum und von seiner Homepage bekannt.
Nach kurzem Plausch fahren wir zusammen wir nach Harstena zum Bäcker, kaufen Kuchen und Brot, sitzen am Steg und plaudern. Dann paddeln wir ein Stück weiter zum Kiosk, Peter und Marion trinken Kaffee, ich ziehe Cola vor. Dann besorge ich noch Trinkwasser, was recht schwierig ist. Eine alte Pumpe liefert gelbes, nach Eisen schmeckendes Naß - für die Küche reicht's.
Um etwa 17 Uhr verabschieden wir uns von einander. Nette Leute...
Nach einer recht langen Strecke über offene See habe ich etwas die Orientierung verloren. Ich habe keine Ahnung wo ich bin.
Etwa eine Stunde lang versuche ich mich im Angeln, auch mit dem Spinner, den Peter mir überlassen hat, fange ich nichts.
Mein Metzeler Sitzkissen ist im Eimer - der Stoff delaminiert sich im Bereich des Ventils...

9. Tag - 04. 07. 2005, 22 Uhr 45, Montag

Heute um 10 Uhr aufgebrochen. Habe Rückenwind, die Sonne scheint, eine leichte Dünung geht. Die Fahrt geht durch viele kleine Inseln hindurch, ich komme sehr gut voran. Ich sehe größere Schwärme von Kormoranen. Seeschwalben tanzen aufgeregt über meinem Boot in der Luft.
Nach etlichen Kilometern komme ich an eine winzige Insel mit einem Haus darauf. Der Holunder blüht, ein verwunschener Garten, Wildrosen, Goldrute... Ich frage nach, wo genau ich mich befinde - exakt dort, wo ich vermutet habe. Super!
In Arkösund kann ich leider keine Landkarten bekommen, dafür Dosenbier, Cola, eingelegte Heringshappen in Dill, Orangen, Milch. Sehr entspannt alles. In einer Snackbar bestelle ich mir einen leckeren Cheeseburger. Der Wirt spricht etwas deutsch. Er erzählt mir, das seine Familie aus der Türkei stamme, sie aber keine Türken seien. Als Kind hätte er eine Weile in Frankfurt gewohnt, doch in Deutschland wurden sie nur geduldet. Später seien sie nach Schweden gegangen, und schon nach kurzer Zeit hätte man ihnen schwedische Pässe angeboten. Nun sind sie Schweden und hier zuhause...
Dann geht es weiter mit dem Boot, zwischen zwei Inseln durch das Schilf hindurch - wie ein kleiner Kanal. Die Inseln nördlich von Arkösund sind wundervoll. Adler gesehen, wieder eine Stunde geangelt, aber nix gefangen. Kleines Eiderentchen fotografiert...

10. Tag - 05. 07. 2005, 22 Uhr 45, Dienstag

Gegen 11 Uhr los. Starker Wind, hoher Seegang. Gegen 14 Uhr 30 kann ich nicht mehr; zu viel Wind von vorn. Ich koche mir erst einmal ein Reisgericht und eine Suppe. Entdecke noch viele schöne Blumen und mache Fotos. Gegen 18 Uhr bin ich endlich in Öxlehamn und gehe einkaufen: Zwei Landkarten, Schokolade, Orangensaft, ein Platzdeckchen aus Bambus - nun habe ich endlich einen sauberen "Küchentisch". In einem Imbiß verputze ich noch einen Cheeseburger mit Pommes Frites und Cola - es lebe Fast-Food.
Danach paddele ich durch den Hafen an einem chinesischen Erzfrachter vorbei in Richtung Osten, soweit, bis ich die Eisenhütten nicht mehr sehen kann. Ich habe viel Wasser im Boot, kann aber kein Leck finden. Vielleicht morgen früh...

11. Tag - 06. 07. 2005, 21 Uhr, Mittwoch

Nachdem ich einige kleine Flickarbeiten am Boot vorgenommen habe fahre ich los Richtung Osten. Um 11 Uhr breche ich auf. Der Wind ist immer noch recht kräftig und nach zwei Stunden Fahrt mache ich Rast auf ein paar Felsen. Eine Stunde liege ich in der Sonne, bevor ich weiter fahre. Bei der nächsten Rast einige Kilometer weiter schlafe ich recht schnell ein - heute wird ein Gammeltag, soviel ist klar. Auf der nächstbesten Insel mache ich es mir bequem und genieße die Sonne. Eine Stunde übe ich mich in der Kunst des Angelns, fange jedoch nichts. Nach dem Essen baue ich das Zelt auf und verbringe den Rest des Tages mit lesen.

12. Tag - 07. 07. 2005, 23 Uhr, Donnerstag

Das Wetter bleibt schön, der Wind läßt etwas nach. Ich muss langsam wieder Trinkwasser besorgen. An einem Naturerlebniszentrum nahe eines Segelhafens bekomme ich welches - leider schmeckt es sehr stark nach Schwefel. Ich gönne mir ein Eis und eine Tasse Kaffee. Die Route heute ist sehr schön. Es sind viele Segler unterwegs und auch Ausflügler mit Motorbooten. Während einer Pause werfe ich die Angel aus, erfolglos. Am Abend probiere ich mein Glück noch einmal für etwa anderthalb Stunden, wieder ohne Erfolg. Ich koche mir einen Tee aus frischer Minze, die am Ufer wächst. Im Gras finde ich eine abgestriffene Schlangenhaut. Am Abend ist es total windstill - die Luft ist erfüllt vom Duft der Hundsrosen.

13. Tag - 08. 07. 2005, 22 Uhr 30, Freitag

Am Morgen habe ich eine halbe Stunde gefischt - nix... um 10 Uhr 40 bin ich dann los. Bei der ersten Pause bin ich schwimmen gegangen, Dummerweise trete ich mir ein Stück Muschelschale in den Fuß - dabei gibt es hier wegen des geringen Salzgehaltes der Ostsee so gut wie keine Muscheln.
Die Algenblüte,die ich seit ein paar Tagen beobachten kann, wird immer ekeliger. Teilweise ist es, als paddelt man durch Joghurt.
In einem kleinen Fischerhafen lege ich an und gehe spazieren. Die Insel ist etwas größer und es gibt eine Straße, eine Bushaltestelle, ein Restaurant. Ich mache Fotos von einer Alten Mühle, Lindenbäumen, blühendem Holunder und Schafen. Ich paddle noch ein paar Kilometer und baue dann mein Zelt auf. Über dem Festland tobt offenbar ein Gewitter.

14. Tag - 09. 07. 2005, 23 Uhr, Sonnabend

Bin heute sehr früh hoch und schon um 8 Uhr 40 im Boot. Die 11 Kilometer bis Nynäshamn bin ich in zweieinhalb Stunden gepaddelt. Ich tanke Wasser, Esse ein Eis und organisiere mir eine Karte. Danach war ich in einem Supermarkt shoppen: Brot, Bier, Orangen, Schokolade (Marabu Orange), Heringshappen in Dill, außerdem tiefgefrorene Heringe, die ich als Köder zum Angeln verwenden will.
Danach paddle ich weiter ostwärts überdas Danziger Gatt. Die Fähren, die nach Gotland hinüber fahren, verursachen einen mächtigen Wellengang. Auf Nåttarö entdecke ich dann alte Bunkeranlagen, zwischen den Steinen liegen vereinzelt Patronenhülsen.Eine Kreuzotter verkriecht sich im hohen Gras. In einer ostwärts gelegenene Bucht schlage ich mein Zelt auf.
Ich entzünde ein kleines Lagerfeuer und sammle den ganzen Zivilisationsmüll, den ich an den Felsen finden kann, ein und verbrenne ihn. Rund um einen kleinen Tümpel tummeln sich tausende von winzigen Fröschen.

15. Tag - 10. 07. 2005, 23 Uhr, Sonntag

Ich bin erst um 12 Uhr losgefahren, habe vorher noch recht lange in der Sonne gelegen. Es ist windstill und es gehen kaum Wellen. Ich bin eher träge und paddele recht lustlos dahin. In einer Bucht entdecke ich einen echten Sandstrand, der auch sehr schön zum Baden eingeladen hätte, wenn die Algenpest nicht das ganze Wasser in eine dicke widerlich stinkende Pampe verwandelt hätte. Am Abend habe ich das Boot genauer inspiziert und Skizzen gemacht, welche baulichen Veränderungen ich nach dem Urlaub vornehmen muß.

16. Tag - 11. 07. 2005, 22 Uhr 30, Montag

Bin zwar zeitig aufgestandenhabe aber noch mindestens eine Stunde in der Sonne gelegen. Nach ca. einem Kilometer Fahrt steht wieder etwas Wasser im Boot - es ist klar, da ist wieder ein Leck. Das ganze Heck ist aufgescheuert, ein fünf Zentimeter langer Riss klafft am Kiel auf - es rührt eindeutig daher, daß ich am Abend immer das Boot an Land schleife. Die Felsen scheuern dann die Haut samt Kielstreifen durch.
Unter diesen Gesichtspunkten stelle ich mir natürlich die Frage, ob es nicht günstiger wäre, gleich ein neues Boot zu bauen und dieses nur noch diese Saison zu nutzen. Ich bin etwas mutlos, viele verschiedene Ideen spuken in meinem Kopf. Allerdings ist im Moment das Hauptproblem die Bootshaut unter dem Kiel.
Ich paddele dann recht planlos weiter, nichts will so recht mit der Karte übereinstimmen. Auf einer kleinen Insel tummeln sich Fischotter und verschwinden schnell im hohen Gebüsch.
Um 20 Uhr 30 mache ich auf Stora Gjustböte halt. Zumindest hoffe ich das... Ich bin noch zwei Tagesreisen von Stockholms Zentrum entfernt. Ich will aber den Weg über die Schären nach Åkersberg nördlich von Stockholm nehmen. Von dort fährt ein Zug zum Zentralbahnhof in Stockholm.
Ich habe heute das letzte Wasser verbraucht. Morgen früh muß ich als erstes tanken.

17. Tag - 12. 7. 2005, 23 Uhr 30, Dienstag

Am Morgen paddele ich hinüber zur großen Insel auf der anderen Seite. Dort gibt es einen kleinen Hafen, eine Tankstelle für Motorboote, einen Supermarkt und auch ein Café. Ich besorge mir zuerst Trinkwasser - man muß fünf Kronen in einen Automaten werfen und kann sich dann 10 Liter abfüllen. Im Supermarkt kaufe ich Bohnen in Tomatensoße, Cola, Milch, Holundersirup, Cidre und Orangenlimonade.
Dann frage ich einen älteren Herren, wo genau ich mich befinde. Die Antwort ist überraschend: Ich befinde mich in Solvik auf Nandö - gut und gerne fünfzehn Kilometer weiter nordöstlich als ich gedacht hatte. Wind und Wellen von achtern haben fleißig mit angeschoben, so daß die gestrige Tagesetappe fast vierzig Kilometer lang war. Nun verstehe ich auch, weshalb ich mich auf der Karte nicht zurechtfinden konnte.
Von Nandö paddele ich weiter nordöstlich zwischen vielen kleinen Inseln hindurch nach Sandön - Sandhamn. Hier herrscht High-Life in Dosen. Der Hafen ist voll und die Fähren kommen und gehen. Ein Hubschrauber der Ambulanz landet auf einem Pier, ein kleines Marineboot in Tarnfarben schleicht durch den Hafen, ein Wasserflugzeug bereitet sich auf den Start vor.
Erst überlege ich, mir in einem Café einen Cappuccino zu gönnen, doch als ich trotz längerer Suche keine Anlegemöglichkeit für mein kleines Boot finde, verziehe ich mich in nördliche Richtung das ist mir dann doch zu viel Radau.
Auf der Insel Gjusskären beziehe ich mein Zelt - es ist wunderschön hier auf den Felsen. Auf einmal übermannt mich das Gefühl, endlich "angekommen" zu sein...
Die Batterien meiner Pentax sind leer. Morgen will ich versuchen, auf der Insel Möja Ersatz zu bekommen. Sonst bleibt mir aber noch die wasserdichte Canon.

18. Tag - 13. 07. 2005, 21 Uhr 15, Mittwoch

Am Morgen herrscht beim Zeltabbau recht starker Wind. Ich muß beim Zeltabbau aufpassen, daß mir nichts wegfliegt. Meine Hände und Arme sind von der Sonne recht arg verbrannt.
Um 9 Uhr 20 sitze ich im Boot und bin in hohen Wellen unterwegs. Ich muß die Spritzdecke aufziehen. Um 12 Uhr mache ich Rast und koche mir ein paar Mi-Nudeln, dazu Kaffee. Zwei ältere Herren in Seekajaks kommen vorbei, ignorieren mich aber.
Später erreiche ich den Ort Langvik auf der Insel Möja. Es ist recht malerisch hier und so mache ich ein paar Fotos mit der Canon, trinke Kaffee in einer Art Heimatmuseum und unterhalte mich mit einem Schweden, der 10 Jahre in der Schweiz als Kellner gearbeitet hat. Er bietet mir ein kleines Zimmer in einer Hütte an, doch zum einem will ich weiter, zum anderen kann er nicht verstehen, daß ich gern im Zelt schlafe.
Ich schaue mich in einer kleinen Boutique um, in der man Kunsthandwerk erstehen kann. Die Ladenbesitzerin ist sehr nett. Im Konsum, dem örtlichen Supermarkt, schaue ich nur kurz ein, kaufe aber nichts.
Am Strand werde ich mehrfach angesprochen, insbesondere auf mein Boot. Man fragt mich, woher ich komme, wohin ich gehe. Die Leute sind sehr nett und aufgeschlossen.
Die Fahrt geht unter recht windigen Verhältnissen weiter nach Ingmansö vorbei an Finnhamn. Auf einer kleinen Insel mit Kiefernwald und glattem Fels dazwischen mache ich Rast. Der Wind wird stärker. Ich beschließe zu bleiben. Um 19 Uhr 30 habe ich gegessen und lege mich ins Zelt, lese Comics, schreibe Tagebuch.
Es sind noch ca. 30 Kilometer bis Åkersberga...Ich möchte endlich mal wieder in der Badewanne liegen... Draußen ist es merklich kühler geworden. Übrigens sind die Gewässer, durch die ich kreuze, seit 3 Tagen frei von der Algenpest. In den Stockholmschären werden aber auch die Vögel weniger.

19. Tag - 14. 07. 2005, 21 Uhr, Donnerstag

Zum Frühstück gibt es Müsli und Kaffee. Das packen dauert vielleicht eine halbe Stunde. Dann fahre ich westwärts. Die Hütten auf den Inseln werden mehr und mehr.
So um 12 Uhr 30 bekomme ich Hunger und lande an einem winzig kleinen Kieselstrand. Auf dem Felsen gleich neben an koche ich mir eine Suppe. Anschließend genehmige ich mir ein kleines Nickerchen.
Geweckt werde ich durch laute Brecher, die an die Felsen klatschen. Wo ist das Boot? Es treibt etwa 10 Meter weit draußen und driftet westwärts, also paralell zum Ufer ab. Schnell ziehe ich mich aus und stakse ins kalte Wasser, doch wegen der vielen spitzen Steine humpele ich sofort wieder ans Ufer zurück, um mir meine Kanuschuhe anzuziehen. Dabei hüpft mir ein brauner Frosch über die Füße ins Wasser.
Nun sehe ich auch, daß die Wellen von einem der vielen Fährschiffe hervorgerufen wurden. Schließlich stehe ich bis zur Brust im Wasser und bekomme die Steuerseile meines Bootes zu fassen und kann es wieder an Land ziehen.
Das Kochgeschirr verschwindet wieder im Boot, da landet auf einmal eine große bronze und blau schillernde Libelle, eine Herbst-Mosaikjungfer, auf meinem linken Unterarm.
Im Wald pflücke ich noch ein paar Blaubeeren. Ich fahre nach Alsvik ein bißchen einkaufen - Brot und Bier, Frühstücksspeck, Himbeeren und Kirschen. Das Obst esse ich gleich, das Bier trinke ich beim Paddeln. Anschließend esse ich noch das Brot, da ich von den zwei Dosen Bier fast schon betrunken bin - bin nix mehr gewohnt.
Abends baue ich mein Zelt auf einer recht hohen waldigen Felsinsel auf. Zum Abendessen gibt es Kartoffelpuree mit gebratenem Speck, dazu schwarzen Tee.
Es sind noch etwa acht Kilometer bis Åkersberga. Morgen beginnt die Heimreise. Schade... Am liebste würde ich die Reise für viele weitere Wochen fortsetzen.
Den Abend versüßt mir eine Teakholzstuhl, der am Strand stand. Leider gibt es zu viele Mücken hier, kleinere als sonst. Von meinem Felsen aus kann ich die ganzen Fähren sehen, die nach Finnland, Estland, Lettland, Littauen aufbrechen.

20. + 21. Tag - 15. 07. 2005, 2 Uhr 30, Freitag

Morgens um 9 Uhr krabbel ich aus dem Schlafsack, um 9 Uhr 45 breche ich auf.
Die 8 Kilometer bis Åkersberga lege ich sehr schnell zurück. In einem Yachthafen kann man nach rechts abzweigen in einen kleinen Kanal. Überall am Ufer liegen Boote aller Arten. Bald erreiche ich eine Straßenbrücke.
Hier boote ich aus, ziehe mein Faltkajak an Land und beginne mit dem Abbau. Ich verstaue alles Gepäck in verschiedenen Säcken und schnalle es auf den Bootswagen. Bevor ich mich auf den Weg zur Bahn mache, entsorge ich noch meinen Müll - im Laufe der Reise ist da eine ganze Menge zusammen gekommen.
Anschließend geht es zur Bahn. Mit dem Zug fahre ich nach Stockholm, von hier aus weiter mit dem Bus nach Oskarshamn. Dort angekommen muß ich noch etwa 3 Kilometer mit meinem Gepäck bis zum Auto zurücklegen. Nach dem Verstauen aller Packstücke ziehe ich mich um - endlich wieder frische Kleidung am Leib.
Die nicht ganz 800 Kilometer fahre ich in einem Rutsch durch, bis ich wieder vor der Haustür stehe. Nach einer ausgiebigen Dusche ist es ungewohnt, wieder in ein normales Bett zu kriechen. Ich schließe die Augen und träume von den felsigen Schären mitten in der Ostsee...

Jens

 

Nachbemerkungen:

Ich habe auf der ganzen Reise keinen einzigen Fisch gefangen, aber trotzdem meinen Spaß am Angeln gehabt. Ein passionierter Angler hat sich im Nachhinein einmal meine Angelausrüstung angesehen und für gut befunden. Ich vermute, daß durch die Algenpest ein zu hoher Sauerstoffmangel im Wasser geherrscht hat.

Bei meinem Faltboot handelt es sich um einen Eigenbau. Viele konstruktive Mängel traten erst auf der Paddeltour durch die Schären zutage. Mittlerweile habe ich neue Bordwände konstruiert, das Unterschiff gedoppelt, die Ruderanlage verbessert und noch viele weitere Verbesserungen vorgenommen. Ich würde heute ohne weiters die selbe Tour noch einmal mit dem selben Boot unternehmen.
Die Bauanleitung für das Faltboot findet ihr hier.

Ich habe auf der Reise sehr viel Gepäck dabei gehabt, ungefähr 40 kg. Mit dabei waren unter anderem ein Bootswagen (5 kg), viel Flick- und Werkzeug (ca. 3 kg), aber auch eine ganze Menge anderer Dinge, die einiges an Gewicht zusammenkommen lassen: Angelzeug, Wein, Whisky, frisches Obst, Bücher und Comics... Auf Wanderungen bin ich bei der Gepäckauswahl wesentlich spartanischer.

 

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